BaFin überwacht KI in Versicherungen: So verwandeln Sie Regulierung in Ihren Wettbewerbsvorteil

Die BaFin will wissen: Welche KI-Systeme setzen Sie ein, welche Entscheidungen treffen diese – und wie stellen Sie Fairness und Transparenz sicher? Wer das als lästige Pflicht sieht, verliert. Wer jetzt handelt, wird Trusted AI-Versicherer.

BaFin überwacht KI in Versicherungen: So verwandeln Sie Regulierung in Ihren Wettbewerbsvorteil

Viele Versicherer betrachten die BaFin-KI-Regulierung als lästige Pflicht. Doch genau hier liegt Ihre einmalige Chance: Wer jetzt proaktiv handelt, kann sich als "Trusted AI Versicherer" positionieren und dieses Vertrauen als neues Verkaufsargument nutzen.

Im letzten Artikel hat das Versicherungstech Magazin beschrieben, wie die BaFin gemeinsam mit der Branche das KI-Governance-Puzzle löst. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie Sie aus einem Regulierungs-Thema Ihr Verkaufsargument machen und welche drei konkreten Schritte Sie sofort angehen sollten.

Die Nachricht aus der BaFin, die viele verschlafen

Julia Wiens von der BaFin hat im März angekündigt, sie wird "Hochrisiko-KI" bei Versicherern überwachen. Die Reaktion vieler Unternehmen: "Ach, wieder eine neue Regulierung. Kümmern wir uns später drum."

Das ist ein kostspieliger Fehler. Während andere abwarten, können Sie sich als "Trusted AI Versicherer" positionieren – und dieses Vertrauensversprechen gezielt in der Kundenkommunikation einsetzen.

Warum das Ihre große Chance ist – nicht nur Stress

In einer vertrauensbasierten Branche wie der Versicherungswirtschaft stellt die mangelnde Nachvollziehbarkeit und Konsistenz von KI-Entscheidungen ein existenzielles Geschäftsrisiko dar.

KI-Governance wird zum Verkaufsargument

„Hochrisiko-KI“ bezeichnet jene Systeme, deren Fehlentscheidungen Menschen ernsthaft schaden können. In der Versicherungsbranche betrifft dies besonders KI-gestützte Prozesse wie die Schadenbearbeitung oder Antragsprüfung.

  • Schadenbeispiel: Wenn Ihre KI bei nahezu identischen Schadensfällen unterschiedlich entscheidet – einmal schnelle Auszahlung, einmal fragwürdige Ablehnung – wirkt das auf Kunden wie Willkür.
  • Antragsbeispiel: Wenn Ihr System bei zwei vergleichbaren Anträgen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt – der eine Antrag wird angenommen, der andere abgelehnt – entsteht bei den Betroffenen der Eindruck von Intransparenz und Ungerechtigkeit.
  • Tarifierungsbeispiel: Wenn Ihre KI bei identischen Risikoprofilen unterschiedliche Prämien berechnet, weil Modelle verzerrt agieren, untergräbt das unmittelbar die Glaubwürdigkeit Ihres Unternehmens.

Solche Inkonsistenzen gefährden nicht nur das Kundenvertrauen und die Reputation, sondern führen auch zu rechtlichen Risiken und aufsichtsrechtlichen Konsequenzen.

Hier liegt Ihre Chance: Positionieren Sie sich als der Versicherer, der seinen Kunden garantiert: "Unsere KI trifft nachvollziehbare, faire Entscheidungen." Vertrauen wird zum Differenzierungsmerkmal, während andere noch über Compliance-Auflagen diskutieren.

Warum auch kleinere Versicherer betroffen sind

Viele kleinere Versicherer denken: "Wir sind zu klein, das betrifft uns nicht." Das stimmt nicht. Sobald KI in Schadensprüfung, Risikobewertung oder Kundenberatung eingesetzt wird, geraten auch kleinere Anbieter in den BaFin-Fokus. Die Größe spielt keine Rolle – entscheidend ist die potenzielle Konsequenz für die Kunden.

Was erwartet die BaFin konkret?

Die BaFin wird folgende Punkte abfragen:

  • Welche KI-Systeme sind im Einsatz?
  • Welche Entscheidungen treffen diese Systeme?
  • Wie sind Entscheidungslogik & Risikobewertung dokumentiert?
  • Wie wird Fairness, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sichergestellt?

Drei konkrete Schritte, die Sie sofort umsetzen sollten

1. Vollständige KI-Inventur inklusive Entscheidungslogik dokumentieren

Listen Sie alle KI-Tools im Unternehmen auf. Fragen Sie dabei bewusst auch in die Fachabteilungen hinein – oft nutzen Mitarbeitende Tools, die der IT-Abteilung gar nicht bekannt sind. Markieren Sie Anwendungen mit direktem Kundenkontakt und dokumentieren Sie für jedes System, welche konkreten Entscheidungen es trifft und wie diese zustande kommen (z.B. Modell, Parameter, externe Datenquellen). Diese Detailtiefe ist entscheidend, um BaFin-Anfragen sicher beantworten zu können.

2. KI-Governance-Rollen mit klaren Berichtspflichten definieren

Bestimmen Sie einen "KI-Governance-Verantwortlichen" mit Budget und direkter Anbindung an die Geschäftsleitung. Setzen Sie ein quartärliches Review-Meeting an und definieren Sie klare Berichtspflichten an die Geschäftsleitung. Die BaFin erwartet, dass Governance-Rollen mit ausreichenden Ressourcen, Entscheidungsbefugnissen und direkter Anbindung an das Top-Management ausgestattet sind.

3. Sofortmaßnahme: High-Risk-Systeme für BaFin-Abfrage simulieren

Führen Sie einen internen Testlauf durch: Wählen Sie eines Ihrer High-Risk-KI-Systeme (z.B. automatisierte Schadensprüfung) und simulieren Sie eine BaFin-Anfrage. Können Sie innerhalb von 48 Stunden darlegen, welche Entscheidung das System getroffen hat, warum und welche Kontrollmechanismen greifen? Dieser Test schärft Ihre Abläufe und zeigt, wo Handlungsbedarf besteht.

Die wichtigsten Steuerungskennzahlen

Messen Sie Ihren "KI-Governance-Score" – den Prozentsatz Ihrer KI-Systeme mit vollständiger Dokumentation. Ziel: 100% bis Ende 2025. Derzeit liegt dieser Wert in vielen Unternehmen deutlich niedriger.

Eine zweite Kennzahl: Ihre "BaFin-Reaktionszeit". Wie schnell können Sie Anfragen der Aufsicht beantworten? Ziel: unter 48 Stunden. Testen Sie sich selbst: Wie lange würden Sie aktuell benötigen?

Drei Denkfehler, die Sie vermeiden sollten

  1. "Das machen wir später." Die BaFin prüft bereits. Wer abwartet, zahlt später doppelt.
  2. "Unsere KI ist harmlos." Jedes System, das Kunden betrifft und/oder automatisiert Entscheidet, kann Hochrisiko-KI sein.
  3. "Das macht die IT." Governance ist eine Management-Aufgabe, kein technisches Projekt.

Fazit: Regulierung als Wettbewerbsvorteil nutzen

Finanzdienstleister positionieren sich zunehmend mit vertrauensbasierten AI-Zertifikaten: So etwa die Unique AG mit der europaweit ersten ISO 42001-Zertifizierung für verantwortungsvolle KI im Finanzsektor. Plattformanbieter wie Sage führen zudem eigenständige AI Trust Labels ein, um Transparenz und Fairness ihrer KI-Systeme sichtbar zu machen.

In zwei Jahren gibt es nur noch zwei Arten von Versicherern: Die proaktiven, die mit sauberer Governance souverän durch BaFin-Prüfungen gehen – und die Reaktiven, die im ständigen Regulierungsstress Reputation und Kunden verlieren.

Die Frage für Ihr nächstes Vorstandsmeeting lautet also: "Sind wir KI-Governance-Vorreiter oder lassen wir uns von der BaFin treiben?"

Wie viele Ihrer KI-Systeme könnten Sie der BaFin heute binnen 48 Stunden vollständig erklären? Wenn Sie ins Grübeln kommen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt zu handeln.

Quellen

  • BaFin: "KI in der Versicherungsbranche: „Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen" (bafin.de)
  • Pfefferminzia: "Warum KI-Governance bei Versicherern jetzt Chefsache wird" (pfefferminzia.de)
  • Procontra Online: "Vor welchen Risiken die BaFin beim Einsatz von KI warnt" (procontra-online.de)
  • Unique AG: ISO 42001-Zertifizierung für verantwortungsvolle KI im Finanzsektor (unique.ai)
  • Sage: AI Trust Label für Transparenz und Fairness in KI-Systemen (sage.com)
  • Versicherungstech Magazin: KI-Governance wird zur Überlebensfrage: Versicherer riskieren mehr als Bußgelder (versicherungstech-magazin.de)